29. Okt 2022 | Recht und Steuern
Verkauf von Gutscheinen für Freizeiterlebnisse über ein Internetportal – BFH Urteil vom 15.03.2022 – V R 35/20
Verkauf ein Steuerpflichtiger über sein Internetportal Gutscheine für bestimmte Freizeiterlebnisse, erbringt er die durch den Gutschein versprochene Leistung entweder selbst oder ist hinsichtlich dieser Leistung als Vermittler tätig
BFH – Urteil vom 15.03.2022 – V R 35/20; veröffentlicht am 27.10.2022
Zum Sachverhalt: Streitig ist, ob einem aus dem Verkauf von Gutscheinen in den Streitjahren 2013 und 2014 als Entgelt für eine steuerbare Leistung des Klägers der Umsatzbesteuerung unterliegen.
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2013 und 2014 ein Internetportal, auf dem er verschiedene Freizeiterlebnisse anbot. Die Inanspruchnahme setzte den Erwerb eines Gutscheins voraus, die der Kläger im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkaufte. Über das Internetportal konnten die Erwerber das Freizeiterlebnis auswählen und Termine vereinbaren. Die hierfür erforderlichen Informationen stellte der Kläger den Kunden zur Verfügung. Für den Fall der Inanspruchnahme der Leistung durch den Gutscheininhaber leitete der Kläger den entsprechenden Betrag unter Abzug einer „Vermittlungsprovision“ an den jeweiligen Veranstalter weiter und erteilte hierüber eine Gutschrift mit Umsatzsteuerausweis.
In seinen Umsatzsteuererklärungen behandelte der Kläger nicht die Zahlungen der Kunden für die Gutscheine, sondern lediglich die Vermittlungsprovision als steuerbare Umsätze.
Das Finanzamt behandelte demgegenüber bereits den Verkauf der Gutscheine als umsatzsteuerbare Leistungen und minderte das Entgelt im Fall der Einlösung der Gutscheine nach § 17 UStG um die an den Veranstalter weitergeleiteten Beträge. Das Finanzgericht der ersten Instanz wies die hiergegen erhobene Klage ab.
FG Münster – Urteil vom 17.09.2020 – 5 K 1404/18
Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:
- Verkauft ein Steuerpflichtiger über sein Internetportal Gutscheine für bestimmte Freizeiterlebnisse, erbringt er die durch den Gutschein versprochene Leistung entweder selbst oder ist hinsichtlich der Leistung als Vermittler tätig. Seine Leistung besteht demgegenüber nicht im Betrieb eines Internetportals.
- Ist der Gutschein nur über einen bestimmten Geldbetrag ausgestellt – sog. Wertgutschein – fehlt es zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins an einem unmittelbaren Zusammenhang der Zahlung der Gutscheinerwerber mit einer bestimmten Leistung.
Quelle: BFH – Urteil vom 15.03.2022 – V R 35/20 – NWB Datenbank
21. Okt 2022 | Recht und Steuern
Rechnungsberichtigung – BFH Urteil vom 07.07.2022
Erstellt ein Unternehmen in der Annahme einer Leistungserbringung im Ausland eine Ausgangsrechnung ohne den inländischen Steuerausweis – kann es diese nicht in der Weise berichtigen, dass dem späteren Ausweis inländischer Umsatzsteuer eine Rückwirkung für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zukommt.
BFH Urteil vom 07.07.2022 – V R 33/20 – veröffentlicht am 20.10.2022
Rechnungsberichtigung und Umsatzsteuer
Zum Hintergrund: Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmen die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer aus Lieferungen und Leistungen – die von einem Unternehmen für sein Unternehmen (B2B) ausgeführt worden sind, als Vorsteuer geltend machen. Die Ausübung des Vorsteuerabzuges nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt allerdings voraus, dass das Unternehmen eine nach § 14 UStG und nach § 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
Hierzu gehört insbesondere der auf das Entgelt entfallende Steuerbetrag gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG. Die unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 178 Buchst. a i.V.m. Art. 226 Nr. 10 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – MwStSystRL.
Zum Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Gesellschaft aus Luxemburg, die verschiedene sonstige Leistungen von Unternehmen aus Deutschland bezogen hat. Die Beteiligten gingen davon aus, dass die Leistungen der luxemburgischen Umsatzbesteuerung unterliegen und die Klägerin als Empfängerin dieser die Steuer schulde. Dementsprechend fakturierten die deutschen Unternehmen ihre Leistungen entweder mit 0% Umsatzsteuer oder generell ohne Steuerausweis mit dem Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren.
Tatsächlich befand sich jedoch die Geschäftsleitung der Gesellschaft und damit ihr umsatzsteuerlicher Sitz in Deutschland. Die Leistungen unterliegen somit der deutschen Umsatzbesteuerung. Steuerschuldner war das leistende Unternehmen und nicht der Leistungsempfänger.
Aufgrund dieser Tatsache erstellte das leistende Unternehmen neue Rechnungen mit deutschem Steuerausweis. Die klagende Partei begehrte die rückwirkende Berücksichtigung der Vorsteuer aus der neuen Rechnungslegung. In erster Instanz hatte sie dahingehend Erfolg – Niedersächsisches Finanzgericht – Urteil vom 17.09.2020 – 11 K 234/19
Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf wiesen die Klage ab!
Zur Begründung: Die Klägerin ist aus den im Streitjahr erstellten Rechnungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da mit diesen nach den Vorstellungen der Leistenden und der Klägerin als Empfängerin der Leistungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet erbrachte Leistungen abgerechnet werden sollten – so dass bereits nach dem Willen der Beteiligten kein inländischer Steuerausweis und keine inländische Steuerschuldnerschaft der Klägerin vorliegen sollte.
Entgegen dem Urteil des Finanzgerichtes Niedersachsen ist die Klägerin nicht aufgrund der im Streitjahr durch die leistenden Unternehmenden vorgenommenen Berichtigungen der Rechnungen zum Abzug der Vorsteuer berechtigt.
Für die Berichtigungsfähigkeit einer ursprünglich erstellten Rechnung verlangt der BFH, dass die Angaben zum Aussteller der Rechnung, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung , zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalten sind. – BFH Urteil vom 20.10.2016 – V R 26/15 – BStBl II 2020, 593 sowie vom 22.01.2020 – IX R 10/17 – BStBl II 2020, 601, Rz 17.
Hieran hält der Senat jedenfalls nach den Verhältnissen des Streitfalls weiter fest, so dass eine Rechnung – die nicht über eine inländische Leistung abrechnen sollte und daher keinen inländischen Steuerausweis enthält – nicht mit Rückwirkung berichtigungsfähig ist.
Erteilt ein Unternehmen in der Annahme einer Leistungserbringung im Ausland eine Ausgangsrechnung ohne inländischen Steuerausweis, kann es diese nicht in der Weise korrigieren, dass dem späteren Ausweis inländischer Umsatzsteuer eine Rückwirkung für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zukommt.
So ist es dann, wenn der Leistungsempfänger im Jahr der Rechnungslegung nicht im Inland steuerrechtlich registriert ist.
Quelle: BFH, Urteil vom 07.07.2022 – V R 33/20 – NWB Datenbank (il)
15. Apr 2022 | Recht und Steuern
Eine Einlage in die Kapitalrücklage mit anschließender Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber einer Alleingesellschafterin anstelle eines Forderungsverzichts durch die Alleingesellschafterin kann einen Gestaltungsmissbrauch darstellen – FG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2021 – 7 K 101/18 K, G, F
Revision anhängig, BFH-Az. I R 11/22
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Kapitalgesellschaft, die Verbindlichkeiten gegenüber ihrer Muttergesellschaft hatte – teils aus Darlehen, teils aus einem Verrechnungskonto aus einem konzerninternen Intercompany Accounting System. Im Kalenderjahr 2011 leistete die Muttergesellschaft über das konzerninterne Intercompany Accounting System eine Einlage in die Kapitalrücklage der Klägerin. Taggleich wurden Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Muttergesellschaft in Höhe der Einzahlung in die Kapitalrücklage ausgebucht.
Das beklagte Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die getätigten Buchungen wirtschaftlich wie ein Forderungsverzicht anzusehen seien. Es liege eine Umgehung in form eines steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 Abs. 2 AO vor. Das Finanzamt behandelte daher die getätigte Einlage – abzüglich eines Teils der Forderung, den das Finanzamt als werthaltig ansah – als Ertrag.
Die Klägerin trug dagegen u.a. vor, dass die Ersetzung von Fremdkapital durch Eigenkapital durch die Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters gedeckt sei. Dabei sei nicht entscheidend, dass aufgrund der konzerninternen Buchungen keine tatsächlichen Zahlungsflüsse stattgefunden hätten.
Das Finanzgericht Düsseldorf sah aufgrund der besonderen Umstände des Falls die Voraussetzungen eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO als erfüllt an.
Die angemessene Gestaltung für das laut der Klägerin angestrebte Ziel einer Befreiung von ihrer Überschuldung wäre ein Forderungsverzicht gewesen. Denn gegenüber fremden Gläubigern haben nur unwesentliche Verbindlichkeiten bestanden.
Die lediglich buchhalterisch vollzogene Einlage und anschließende Tilgung der Verbindlichkeiten haben lediglich der Vermeidung der steuerlichen Folgen eines Verzichts auf die unstreitig im Wesentlichen nicht werthaltigen Forderungen gedient.
Außersteuerliche Gründe für die Gestaltung sind nicht erkennbar. Insbesondere ist das Ziel einer Verbesserung des Bilanzbildes der Klägerin nicht überzeugend, da die Klägerin im Jahr 2010 letztmalig aktiv am Wirtschaftsleben teilgenommen hat und sich seitdem in Abwicklung befindet.
Hinweis: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die vom Gericht zugelassene Revision ist beim BFH unter Az. I R 11/22 anhängig.
Quelle: FG Düsseldorf, Newsletter März/April 2022; NWB Datenbank (il)
30. Jul 2020 | Recht und Steuern
FG Münster, Beschlüsse vom 29.05.2020, 11 V 1496/20 AO, und vom 08.06.2020, 11 V 1541/20 (Beschwerde jeweils zugelassen)
Ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto (P-Konto) bietet dem Schuldner einen automatischen Pfändungsschutz von 1.178,59 EUR pro Kalendermonat. Doch was passiert, wenn die Corona-Soforthilfe auf ein solches Konto ausgezahlt wird? Kann der den Pfändungsschutz übersteigende Betrag gepfändet werden?
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29. Jul 2020 | Recht und Steuern
Bayrisches Landesamt für Steuern, Hinweise gemäß Online-Mitteilung vom 27.05.2020
Viele praxisrelevante Fragen im Zusammenhang mit den staatlichen Fördermaßnahmen anlässlich der Corona-Krise sind bisher leider noch ungeklärt. Für die Corona-Soforthilfen in Form von Zuschüssen liegen offizielle Angaben auf Länderebene vor, wie die umsatz- und ertragssteuerliche Behandlung vorzunehmen ist. Dies betrifft unterjährig die Erfassung in der Finanzbuchhaltung.
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12. Jun 2020 | Recht und Steuern
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 19.02.2020, 9 K 104/19; FG Hamburg, Urteil vom 11.12.2019, 2 K 10/19 (rkr.)
Nach gängiger Rechtsprechung spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung betriebliche Fahrzeuge , die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat gnutzt werden. In der Folge ist das betriebliche Fahrzeug auch beim zu versteuern. Doch der Anscheinsbeweis kann widerlegt werden.
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